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Jura, 2019
 
Photo by Björn Ruppert

Heidelberg (Germany)

World Environment Day —

Cheyenne Leize

Anfang (2019)

Der Konflikt ist ausgeartet, 
denn es gibt keine Arten mehr. 
Die Welt wurde ausgebeutet, 
die Beutetiere entfernt, 
ohne dass man auch nur im Entferntesten in Erwägung gezogen hätte,
selbst das Beutetier zu sein.

Heute trage ich schwarz.
In Erinnerung daran,
wie wir die Erde ausgegraben haben,
um sie kurze Zeit später zu beerdigen.
Ausgebaggert, ausgehöhlt, zugebaut.
Um uns Raum zu schaffen,
und Zeit.
Indem wir die Bedrohung abschaffen,
uns den Kräften der Natur entziehen
und damit unsere eigene aufbauen.
Dabei die Welt aufbrauchen,
und unsere Zeit auf ihr.

Ironie, Zeit gegen Zeit,
Ironie, doch auch das Eisenerz wird abgebaut,
in eisernen Minen, mit eiserner Miene,
denn dort unten ist es kalt.

Kälte.
Naturgewalt, die wir nicht spüren möchten
und uns deswegen hinter Eisenkarosserien und Betonburgen verstecken.
Beutetier oder doch Fluchttier?
Seit wann ein Gegensatz?
Gegensatz, Gegenteil, Aussage, die teilbar ist, weil gespalten?
Oder weil sie uns spaltet?
Uns streiten lässt, immer weiter, immer höher,
Wettrüsten der Argumente,
wir weiter am ausbeuten,
um zu zeigen, dass wir keine Fluchttiere sind.

Doch zeigen tun wir es nur selbst,
und merken das erst, wenn wir endlich ganz oben stehen.
Wolkenkratzer, selbst den Himmel kratzen wir an,
neue Höhen, neue Möglichkeiten.
Doch ohne Fundament bröckelt die Fassade.
Die Erde fällt in sich zusammen,
und wir gleich mit, hinein ins Bodenlose.
Wie ein Kartenhaus zerfällt das Konsumparadies,
in das wir aus Angst vor der Wirklichkeit geflüchtet sind.
Haben unsere Karten gespielt, doch die Trumpfkarte nicht gefunden.
Das Paradies fällt, zerfällt, und auch wir zerfallen in unsere Einzelteile,
Elemente.
Das Element Erde gibt es nicht mehr.
Nur noch das ewige Feuer, das stille Wasser, und ganz viel heiße Luft.
Und die Frage, ob das alles einen Sinn hat.
Mit den Sinnen nimmt man wahr, was für wahr genommen wird.
Doch unser Sinn für Natur ist blind.
Weil sie uns verblendet und
uns Angst macht.
Doch was, wenn die Naturgewalt nur ein Schrei nach Hilfe ist?
Der innere Konflikt, der hinauswill, die innere Furcht, die sich zeigt.
Gewaltige Fluten die Tränen,
horrende Hitze der Angstschweiß,
trockene Dürren die Erstarrung,
die die Natur immer wieder erfährt,
wenn wir ihr wehtun.

Der Konflikt ist abartig,
denn wir wenden uns von den Arten ab,
miteinander umzugehen,
und konzentrieren uns darauf,
gegeneinander vorzugehen.
Voreinander zu gehen, immer weiter, immer schneller.
Und fragen uns nicht mehr warum, sondern nur noch wie.
Fragen, die uns weiterbringen, nach vorne,
ohne zu hinterfragen.
Gegensatz?
Spektrum?
Oder Balance?
Haben uns schon längst aus der Bahn gebracht,
denn wir fallen.

Wollen gefallen,
wollen auffallen,
und dabei fällt uns endlich auf, dass wir keine Angst zu haben brauchen,
denn die Erde ist auch unsere Welt,
wenn man sie instand hält.
Nicht mehr nur standhalten,
sondern aufstehen
und aufeinander zugehen.
Wir hängen voneinander ab, sind verworren und verwoben,
auf unendlich viele verschiedene Arten.
Erkenntnis durch den Gegensatz.
Doch diesmal ist er kein Widerspruch mehr,
denn wir sprechen wieder,
miteinander,
zueinander,
gehen aufeinander zu
und sind in unserem Element,

Heute trage ich schwarz,
denn ich weiß, dass nach der Dunkelheit das Licht kommt.


Beginning (2019)

The conflict got wild out of hand,
because there's no more wild life.
The world's been preyed on,
the beasts of prey've been removed,
without anyone even for a minute realising
they might be the predator.

Today, I'm dressed in black.
Commemorating
how we dug a ditch in the earth,
just to lay earth to rest right thereafter.
Excavated, hollowed out, littered with buildings
to make space for ourselves,
and time.
By eliminating risk,
by eluding the forces of nature,
and thus edifying our own,
we've used up our world
and our time in it.

Irony, time vs. time.
Irony, iron ore is mined
in iron mines, with a mind of steel,
for it's cold down there.

Coldness.
Elements, we'd rather not endure,
and instead hide in iron-clad vehicles and cement fortresses.
Are we beast of prey or more like a flight animal?
Since when are they opposites?
Opposites, opposition: a proposition that's divisible, because it's divided?
Or because it is dividing us?
Because it causes us to argue, on and on, evermore,
an arms race of talking points
while we continue our exploits
to prove that we're no flight animal.

And yet we're just proving it to ourselves,
realising it, only after we got to the top.
Skyscrapers, we're even scraping the skies,
new heights, new opportunities.
But without a foundation the façade will crumble.
Earth will collapse into itself,
and we'll go down with it, down into the bottomless pit.
The paradise of consumption will collapse like a house of cards,
where we've taken flight to, hidden away, fearful of reality.
We played our hand, but we didn’t hold a trump card.
Paradise is crumbling, crumbling to ruin, and we too are crumbling
piece by piece, elements.
The element earth is no longer.
There's just the everlasting fire, the silent waters, and lots of hot air.
And the question, whether it all still makes sense.
Using our senses, we hold true that which we behold as the truth.
But our sense of nature is blind.
Because she blinds us and
scares us.
But what if the force of nature is just a cry for help?
An inner conflict that wants to get out, an inward fear that becomes apparent:
Massive floods, tears,
horrendous heat, cold sweat,
long droughts, paralysis
that nature endures again and again
whenever we hurt her.

The conflict is disgustingly unnatural,
because we are turning our backs on nature,
the natural ways of dealing with each other,
and are focused on
dealing out blows against each other.
Getting ahead, ever further, faster and faster.
Without asking ourselves, why, but just, how.
Asking ourselves, how to get on, get an edge,
without second thoughts.
Opposition?
Spectrum?
Or balance?
We've already thrown ourselves off track,
because we're falling.

Because we want others to fall for us,
we want to fall in place, get noticed,
and in doing so we realise we don’t need to be afraid,
because the earth is our world too,
if we preserve it well.
Not just persevere,
but to stand up
and come towards each other.
We depend on each other, are tangled and interwoven,
in an infinite number of nature's different ways.
Knowledge by way of difference.
But this time it's not an opposition, a contradiction,
because we're talking
to each other again,
with each other,
going towards each other
and are in our element.

Today, I'm dressed in black,
for I know after darkness there is light.

Translated by Paul-Henri Campbell


Cheyenne Leize, geboren in Weinheim, Germany ist Studentin der Physik an der Universität Heidelberg. Seit Kindheitstagen übt die Frage nach den Hintergründen der Welt eine Faszination auf sie aus, was sich sowohl in ihrem wissenschaftlichen Interesse als auch in ihrer Leidenschaft fürs Schreiben meist lyrischer Texte, in denen sie diesen Fragen auf den Grund geht, zeigt. Sie ist Mitglied im Dichterkollektiv Kamina der Universität Heidelberg.

Cheyenne Leize 
was born in Weinheim, Germany and is a Physics student at the University of Heidelberg. Since a young age, Cheyenne has been fascinated by the question of the origins and mysteries of Planet Earth, which is reflected both in her scientific interests and in her passion for writing mostly lyrical texts where she gets to the bottom of these questions. She is a member of the poetry collective Kamina at the University of Heidelberg.


Paul-Henri Campbell, geboren in Boston, Massachusetts, wuchs in Bayern auf. Letzte Veröffentlichungen: die Gedichtbände „nach den narkosen“ (2017) and „innere organe“ (2022) sowie ein Interviewband über Tätowierungen und Religion.

Paul-Henri Campbell 
was born in Boston, Massachusetts, and grew up in Bavaria, Germany. Recent books include “nach den narkosen | after anesthesia” (2017, poetry) and “innere organe” (2022, poetry), as well as a book on tattooing and religion.